15. Juni 2021 – KfW
Warum warten – Interview mit Markus Emmert

Warum warten, wenn es schon heute verfügbar ist?

Für einige beginnt es mit dem Dienst­wagen, andere wollen eine komplett grüne Flotte – wenn Unter­nehmen auf alternative Antriebe umstellen, gibt es viele Fragen zu klären. Markus Emmert vom Bundes­verband eMobilität (BEM) beantwortet die wichtigsten und erklärt, warum sich der Umstieg lohnt.

Herr Emmert, wo liegen die Vorteile der Elektromobilität, insbesondere für Unternehmen?

Markus Emmert: Die Vorteile für Unter­nehmen liegen ganz klar in der Umwelt­verträglichkeit, in der Kosten­struktur für die nächsten Jahre, in der neuen Anpassung an die Unternehmens­bedürfnisse und im intelligenten Energie­management. Der Unternehmer könnte zum Beispiel im Rahmen einer Mobility Policy eigene Richt­linien für Dienst­wege vorschreiben. Unternehmer können vieles dafür tun, um die Beleg­schaft im Bereich nach­haltige Mobilität zu motivieren. Denn wenn Sie auf E-Mobilität umsteigen und dann noch mit Ökostrom laden, sind Sie CO2-frei, zumindest was den Fahr­betrieb angeht.

Wie sind andere Antriebe im Vergleich zum batterieelektrischen zu bewerten?

In den nächsten Jahren wird alles, was CO2 emittiert, teurer. Insofern scheiden Diesel, Benziner und Hybride natürlich gänzlich aus. Das Thema Wasser­stoff ist im Pkw-Sektor zu unrentabel. Wir haben es schon mal als Champagner­lösung bezeichnet, weil viel zu viele Verluste mit der Transformation zu Wasser­stoff einhergehen. Für Nutz­fahrzeuge ist die Entwicklung noch nicht final abzusehen, Fakt ist aber, dass auch dort batterie­elektrische Antriebe großen Sinn machen, eventuell auch die Ergänzung mit sogenannten intelligenten Trailer-Systemen. Da wird das Zugfahrzeug mit Diesel oder Wasser­stoff betrieben und der Trailer, also der Anhänger, verfügt über einen elektrischen Antrieb und entlastet so die Zugmaschine. Damit wird der CO2-Ausstoß verringert. Auch solche Möglich­keiten gibt es.

Wie sieht es bei Hybrid-Fahrzeugen aus?

Bei Plug-in-Hybriden muss man als Unter­nehmer vorsichtig sein. Wir haben fest­gestellt, dass viele der Fahr­zeuge nach zwei Jahren Leasing­zeit mit dem original verpackten Lade­kabel wieder zurück­gehen. Das heißt, die Fahr­zeuge werden nur bedingt als Elektro­fahrzeuge genutzt, sondern über­wiegend angeschafft, weil sie begünstigt und damit kosten­effizienter sind. Aber Plug-in-Hybride, die wie ein konventioneller Verbrenner genutzt und nicht regel­mäßig geladen werden, haben einen deutlich höheren Verbrauch. Dann fahre ich das Mehr­gewicht der Batterie mit rum und habe keinen wirklichen Effekt. Das hat nur einen grünen Mantel um, aber der CO2-Fußabdruck ist größer.

Warum lohnt es sich – gerade für Firmen – jetzt auf E-Mobilität umzusteigen und nicht zu warten, bis sich Reichweite und Ladeinfrastruktur noch verbessert haben?

Weil wir schon so weit sind. Ich kann mit batterie­elektrischem Antrieb meine Reisen genauso tätigen. Ich kann vom Süden Deutsch­lands in den Norden fahren und zurück. Da spricht nichts dagegen. Natürlich wird sich die Elektro­mobilität weiter­entwickeln. Es wird sich noch vieles tun. Aber die Frage ist: Warum soll ich warten, wenn es heute schon verfügbar ist und reale wie auch gesellschaftliche Kosten reduziert? Natürlich sind in fünf Jahren die Fahr­zeuge besser und können mehr. Aber dann haben Sie als Unter­nehmer das Investment verpasst und fahren die Gewinne erst später ein.

Welche Kriterien sollten Unternehmen bei der Entscheidung zugrunde legen?

Man muss immer eine Art Profil­analyse machen: Ich muss mir die Frage stellen: Wie gehe ich generell als Unter­nehmen mit Mobilität um? Wo kann ich Straßen­mobilität vielleicht gänzlich vermeiden und zum Beispiel Logistik auf die Schiene auslagern, Fahrten und Reise­tätigkeiten vermeiden oder effizienter gestalten? Gerade in der Zulieferer­industrie könnte ich auch sagen: Bitte organisiert eine Lieferung mit möglichst geringem CO2-Fußabdruck. Der nächste Schritt ist dann, auch die Car Policy anzupassen. Das geht erst, wenn ich meinen Bedarf analysiert habe, denn es gibt viele Möglichkeiten.

Es muss auch nicht immer nur um eine Neu­anschaffung gehen. Eventuell kann ich bestehende Flotten auch umrüsten auf alternative Antriebe. Bei Autos ist das weniger wirtschaftlich interessant. Bei Nutz­fahrzeugen aber schon. Das steht unter dem Begriff Retrofit. Da kommt der Verbrennungs­motor raus und ein elektrischer Antrieb rein. Teilweise wird das Fahrzeug komplett general­überholt, sodass es fast ein Neufahrzeug ist – aber eben mit elektrischem Antrieb.

Was sind die konkreten Schritte, die für den Umstieg zu gehen sind?

Unternehmen müssen dafür Sorge tragen, dass sie an ihrem Standort Lade­infrastruktur anbieten. Und die ist noch mal anders zu bewerten als im privaten Sektor, denn dort reden wir in den seltensten Fällen von ein oder zwei Lade­punkten, sondern von Hunderten oder Tausenden – je nachdem, was das für ein Unternehmen ist. Da muss auch an Themen wie Energie- und Lasten­management, Netz­anschluss, eventuell auch Eigenstrom­erzeugung oder Eigenstrom­verbrauchsoptimierung gedacht werden.

Sie müssen sich zunächst Fragen stellen wie: Welche Art von Lade­infrastruktur macht bei mir Sinn? Mit welchem Nutzer­kreis habe ich es zu tun? Reicht eine normale Lade­infrastruktur oder brauche ich Schnell­lader? Habe ich Logistik auf dem Betriebs­gelände, wo ich die Lade­infrastruktur mitnutzen kann? Dann geht es um die öffentliche Lade­infrastruktur zum Beispiel bei Dienst­fahrten: Um deutschland- und europaweit an den öffentlichen Säulen laden zu können, braucht es einen Zugang. Noch ist es so, dass man eine Art Roaming­karte braucht und der Arbeitgeber am Monats­ende eine Rechnung bekommt. Das wird aber gerade novelliert, damit es bald einen europa­weiten Standard gibt und man auch mit NFC-Payment (NearFieldCommunication) zahlen kann.

Und wie schaffen Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen es, die Mitarbeitenden auf dem Weg mitzunehmen?

Klug ist, eine Schulung zum Thema Elektro­mobilität für die Mitarbeiter anzubieten. Für viele ist das Thema neu und sie haben Angst, zum Beispiel stehen zu bleiben. Das ist ja das klassische Vorurteil. Da ist es wertvoll, in Schulungs- und Trainings­programme einzusteigen. Vielleicht könnte man Mitarbeitern auch Pool-Fahrzeuge im Rahmen einer Test­phase anbieten. Das sind Maß­nahmen, die sehr gut ankommen. Und wenn dann solche Mitarbeiter das Vertrauen in die Technologie bekommen, dann steht dem Erfolg der Elektro­mobilität fast nichts mehr im Weg.

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